Hollywood an der Hase

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Von Wilfried Hippen
Nein, ein Museum ist es nicht: Das ist Josef
Anneken wichtig. Und doch: Wer sie
kennt, die „kinotechnische Sammlung Dr.
Heinz Dobelmann“ spricht gerne von einem
„Kinomuseum“, das es dort gebe, in
Löningen, Kreis Cloppenburg, einer Stadt
mit rund 14.000 EinwohnerInnen. Anneken
war lange bei der örtlichen Sparkasse,
hat schon viele Ehrenämter bekleidet und
ist heute ist einer von rund 20 LöningerInnen,
die sich ehrenamtlich um die Sammlung
kümmern. Das heißt: den Betrieb organisieren,
an der Kasse sitzen, Führungen
veranstalten, aber auch Kaffee kochen und
Kuchen backen.
Auf 450 Quadratmetern sind in einem
Ladengeschäft in der Innenstadt Filmprojektoren
und andere technische Geräte
ausgestellt – man könnte auch sagen: abgestellt.
Ein „richtiges“ Museum soll daraus
irgendwann mal werden, geht es nach
den UnterstützerInnen: In ein bis zwei Jahren
will man aus Fördergeldern einen Kurator
oder Museumspädagogen bezahlen,
der dann ein Konzept erarbeitet und auch
umsetzt. Schon jetzt aber kommen im Jahr
rund 2.000 Menschen zu Besuch.
Wie kommt nun der anerkannte Erholungsort
Löningen, in eigenen Worten
„ein kleines Stück heile Welt“, zu so einer
Sammlung, nach Aussage von KennerInnen
einmalig in Europa? Das liegt an Heinz
Dobelmann, Hals-, Nasen-, Ohrenarzt. Von
1982 bis zu seinem Tod im Jahr 1996 hat
er die kinotechnischen Geräte gesammelt,
meist Projektoren, also durchaus schwere
Maschinen. Wohnung und Praxis waren irgendwann
voll gestellt mit diesen Apparaten,
deren schwerster immerhin 450 Kilogramm
wiegt. Dobelmann baute eigens
eine Hütte in den heimischen Garten, die
er bald angefüllt hatte, so wie schon den
Dachboden eines Stalls.
Die Sternstunde des Sammlers dürfte
1988 geschlagen haben. Da besuchte TVModerator
Rudi Carrell mit seiner Show
„Lass Dich überraschen“ Dobelmann zuhause,
und in dessen privatem Kinosaal
kam es zu einer echten Deutschlandpremiere:
Man zeigte Robert Zemeckis’ das
alte Hollywood feiernden Animations-Realfilm-
Mix „Falsches Spiel mit Roger Rabbit“,
und das mitsamt Stargästen wie Maria
Schell und Hans-Jörg Felmy.
Als 1996, nach dem Tod Heinz Dobelmanns,
die Gefahr bestand, dass sie den
Ort verlassen könnten, regte sich ein gewisser
Lokalpatriotismus: Einige LöningerInnen
gründeten einen Verein mit dem
Ziel, die Geräte am Ort zu halten. Umso
bemerkenswerter, als unter diesen InitiatorInnen
nicht eine/r cineastisch oder
sonst wie besonders am Thema Kino interessiert
war.
2009 dann übernahm der Verein die
Sammlung ganz, und die wurde, sagt Anneken,
erst einmal „eingemottet“: Fünf
Menschen waren 14 Tage lang damit beschäftigt,
all die Gerätschaften aus den
diversen Immobilien der Familie Dobelmann
in Lagerräume zu verfrachten – 80
Projektoren, dazu über 400 kleinere Objekte;
insgesamt bewegte man rund 1.000
Stücke. Dafür suchte man nach Räumlichkeiten,
um wenigstens einen Teil auch ausstellen
zu können. Unter Mithilfe der Stadt
konnte der Verein ein ehemaliges Textilgeschäft
anmieten, in dem seit 2013 nun
etwa die Hälfte der Bestände zu sehen ist.
Ungefähr 15.000 BesucherInnen hat die
Sammlung inzwischen gehabt. Finanziert
werden ihre Aktivitäten heute zu einem
Drittel durch die Stadt: Sie zahlt unter anderem
die Ladenmiete; ein weiteres Drittel
sind Spenden, das dritte erwirtschaftet
der Verein im laufenden Betrieb: Er bietet
Führungen an, und jeden Donnerstag
auch Kaffee und Kuchen. Für Gruppen
werden auf Bestellung sogar Frühstück,
Brunch und deftige Suppen angeboten,
und das kleine Kino mit 26 Sitzplätzen
wird vermietet: Denn auch Filme hat Dobelmann
gesammelt, mehr als 1.200 Kopien
lagern in der Sammlung – bloß hat
der Verein nicht die Rechte für ihre kommerzielle
Nutzung. Die Folge. Vorführen
kann man ausschließlich bei geschlossener
Gesellschaft. Einer der Favoriten: „Die
Feuerzangenbowle.“
Das Spektrum der Dobelmann’schen
Objekte reicht vom erotischen Daumenkino
aus den 20er-Jahren über einen Eintrittskarten-
Spender aus den 50ern – Erwerbslose
und Kriegsversehrte 50 Pfennig
– bis hin zu einem Pianola: ein mechanischer
Apparat, der selbsttätig das Instrument
spielte, etwa zur Begleitung von
Stummfilmen. Doch vor allem hatte Dobelmann
eben doch Projektoren gesammelt,
der älteste ist aus dem Jahr 1914, der
jüngste ein 70mm-Projektor aus der DDR.
Das wohl wertvollste Stück ist ein Mechau-
Projektor, nach dem Tüftler Emil
Mechau: Er arbeitet nach einem anderen
Prinzip als die allermeisten anderen Geräte
und sieht auch anders aus; Mechaus
Entwicklung spielt den Film kontinuierlich
ab, nicht ruckartig, was das Material
schonte. Aber diese Technik setzte sich
nicht durch, es gibt heute nur noch vier
Exemplare – und das einzig funktionsfähige
steht in Löningen.
Genau genommen fehlt in der Sammlung
ein Projektor, wie sie bis in die 90er-
Jahre entwickelt und dann in Multiplex-
Kinos eingesetzt wurden. Bei diesem Typ
liegen die Filmkopien auf großen Tellern,
der Film wird auf Rollen über viele Meter
und Etagen transportiert – und kann in
mehreren Sälen gleichzeitig gezeigt werden.
Insofern repräsentiert die Sammlung
nicht die abgeschlossene Geschichte von
120 Jahren analoger Kinotechnik. Auch Anneken
sagt, es fehlten einige Geräte, etwa
aus den 30er-Jahren. Finanziert durch Fördergelder,
ist im Frühjahr die Inventarisierung
abgeschlossen worden, und so könnten
bald einige mehrfach vorhandene Stücke
gegen fehlende eingetauscht werden.
Es wird also weiter gesammelt.
Kinotechnische Sammlung Dr. Heinz
Dobelmann, Langenstraße 21, Löningen,

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